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08Jun2015
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SAUDADE DE BRASIL TOUR 2015 – TOURBERICHT
Man soll ja mit guten Gewohnheiten nicht brechen. Machen wir auch nicht… und waren deshalb zum dritten Mal in Brasilien auf Tour.
Die kurze Version, die wir nie schreiben würden und die niemand lesen sollte, weil sie der Sache nicht im Geringsten gerecht würde, klänge so: Neun Shows in 14 Tagen. Etwa die gleichen Städte, zum Teil sogar die gleichen Clubs wie 2014 und 2013 plus Rio de Janeiro. Einmal an der Copacabana baden gewesen. Es war recht anstrengend, immer aufregend und einfach großartig. Wir bedanken uns besonders beim Goethe-Institut für die tatkräftige und unkomplizierte Unterstützung. Weiter so! …schrecklich, das ist ja, als würde man die WM 2014 darauf beschränken, dass Deutschland gewonnen hat.
Ein bisschen unkonventionell aber die beste Art, um eine interessante Zusammenfassung in erträglicher Länge anzubieten, ist wahrscheinlich diese.
02. April. Sao Paulo. Centro Cultural Rio Verde. Anbetracht der Tatsache, dass der größte Teil der Band am nach 30 Stunden Anreise in Sao Paulo angekommen ist und auch tagsüber sehr wenig Schlaf bekommen hat, dürfen wir uns ruhig mal anerkennend auf die Schulter klopfen. Es war am Ende nicht so richtig klar, wer wen feiert – wir das Publikum oder es uns. Highlights: Vor uns Msário (findet man hier goo.gl/k7z5eM). Wer möchte, googlet den Club mal. Der ist nämlich auch optisch besonders. Nachdem gegen fünf Uhr morgens die Veranstaltung drinnen beendet war, standen noch 100 Leute auf der Strasse und haben zum Rhythmus einer Triangel gesungen und getanzt.
03. April. Rio de Janeiro. Audio Rebel. Unser erster Gig in Rio. Jemals. Wenig Schlaf in der Nacht zuvor. Schlechter Schlaf während der achtstündigen Fahrt im Tourbus. Auch dieser Gig ist auf seine Weise besonders. Der Club ist sehr sehr sehr sehr klein und auf ca. 15°C runtergekühlt. Wir frieren. Den Abend eröffnet eine Stoner Rock Band. Es sind ca. 20 Gäste da, womit der Club halb voll ist. Die Stimmung ist gut, das Publikum ist etwas überrascht. Im Audio Rebel spielen sicher nicht so oft Skabands.
04. April. Belo Horizonte. Mercado Distrital. Nach acht Stunden Fahrt kommen wir in Belo Horizonte (GER – BRA 7:1) am Hintereingang des Mercado zum Stehen. Es stinkt unerhört nach was Ekligem. Normalerweise ist das ein Indoor-Wochenmarkt. Aber Brasilien feiert überall! Als wir anfangen sind ca. 500 Gäste da. Alle viel zu schick für uns. Leider – auch das kommt vor – ignorieren uns 80 Prozent. Die vorderen Reihen wippen ein bisschen. Der Band nach uns geht es genauso.
05. April. Barbacena. Mirante Pup. Hoch oben über Stadt. Die Stadt ist die Heimat unseres Freundes Fred Furtado, bei dem wir uns nicht genug bedanken können. Sein Haus ist unser Haus. Zum Glück sind wir ausgeschlafen. Es ist Ostersonntag. Wir haben ca. 80 Gäste, ein bisschen weniger als letztes Jahr. Kein Grund zum Weinen. Die Stimmung ist muito legal! Wir spielen deshalb auch gute 2 Stunden.
07. April. Belo Horizonte. (GER – BRA 7:1) BAIXO Centro Cultural. Dank des freien Tages, sind wir wohl alle das erste Mal ausgeschlafen. Nachdem wir am Busbahnhof angekommen sind, geht es in 3 Taxis weiter. Die Rhyhtmusgruppe wird am falschen Ort abgesetzt. Unter einer Brücke, umgeben von recht zwielichtigen Gestalten. Zack, da kommt auch schon ein Einsatzkommando und untersucht die Sache mit vorgehaltener Waffe etwas zu gründlich. Uns wird mulmig. Brasilien ist nicht nur schön. Schließlich findet Kay die Verschollenen wieder. Der Club ist nur eine Strassenecke weiter. Diesmal ist uns das Publikum sehr gewogen. Wir ihm auch. Toller Abend. Sehr zu empfehlen: Das Samba Rooms Hostel.
09. April. Poços de Caldas. New York Pub. Da denkt man gleich an eine enge, schummerige Spelunke. In diese äußerst schicke Spelunke mit allen Extras passen etwa 350 Gäste. Wir werden erwartet, denn wir sind alte Bekannte. Es ist unser drittes im New York Pub. Osvaldo und sein Team bemuttern uns hervorragend. Am Abend ist der Saal halbvoll. Aber gefeiert wird für doppelt so viele. Nach dem Konzert werden wir noch zu einem Video-Interview überredet (dass es demnächst sicher auf unser Website zu sehen geben wird). Danach haben wir frei. Und da die Poços-de-Caldas-er und wir so gut zusammen passen, wird es schon hell als wir uns verabschieden und beinahe direkt in den Tourbus steigen.
10. April. Rio de Janeiro. Zum zweiten Mal. Porto Pirata. Wir wurden beim ersten Termin in Rio schon gewarnt. Der Club liegt mitten im schmuddeligsten Rotlichtviertel der Stadt. In Villa Mimosa. Schön ist es nicht – aber so spannend, dass uns anfangs nicht ganz wohl ist. Rio ist ja an der ein- oder anderen Ecke auch gefährlich. Hier aber nicht beruhigt uns Diego el Cheffe, weil das Porto Pirata unter dem Schutz eines bekannten Motorradclubs steht. Na dann… Es ist 18 Uhr. Wir sind totmüde (siehe 09. April), spielen sollen wir erst gegen 2 Uhr nachts. Es gibt keinen echten Backstage-Bereich. Diego hatte sich etwas verschätzt, als er uns sagte es sei kein Problem, im Club zu schlafen. Der Raum über dem Club ist etwa dreimaldrei Meter groß und eineinhalb hoch. Wir sind mit Fahrer zu zehnt. Macht aber nichts. Er organisiert uns ein Hostel an der Copacabana. Der Abend ist zwar mordsanstengend aber interessant. Die ca. 50 Gäste, mit denen der Club gut gefüllt ist, mögen unsere Musik genauso wie die des Punk-Duetts ANTIBANDA vor uns und die der Metaller ATOX nach uns. Es ist 4 Uhr morgens mitten in der Woche und ohrenbetäubend laut als wir in uns auf den Weg ins Hostel machen. Ringsrum wohnen Leute. Brasilien ist krass.
11. April. Juiz de Fora. Bar da Fabrica. 2013 haben wir hier schon mal gespielt. Ohne Sänger, der den schwer verletzten Trompeter nach Sao Paulo ins Krankenhaus bringen musste – der also auch nicht dabei war. Die zahlreichen Gäste damals haben gehörig zu Instrumentals und Seeed-Texten auf Yellow Caps Songs gefeiert. Diesmal war es entspannter. Die etwa 50 Gäste in der Bar da Fabrica, in die mindestens 250 reinpassen, haben ihre Sache sehr gut gemacht. Wir auch. Da sieht man mal wieder, dass weder die Größe des Clubs noch die Anzahl der Gäste darüber entscheidet, ob man nachher sagt, es war schön. Es war schön. Erwähnenswert: Wir verbringen nach vielen Nächten in Hostel-Zimmern mit dreistöckigen Betten und Gemeinschaftstoiletten. eine ziemlich kurze aber erholsame Nacht in einem echten Hotel. In Zimmern mit WC und Dusche – und wir wissen das zu schätzen.
12. April. Campinas. 9. Skandalosa im Club Woodstock. Urspünglich hatte David, für den wir schon das dritte Mal spielen, das Festival in Americana SP geplant. Aber aus uns unbekannten Gründen wurde es kurzfristig verlegt. So wurde aus dem Festival eher ein kleines Clubkonzert. Technisch gesehen musste auch ein bisschen improvisiert werden. Es war mit etwa 50 Gästen ein kleines aber sehr gutes, letztes Konzert einer einmaligen Clubtour. Manchmal entsteht auf der Bühne zwischen Musikern so ein Ding… schwer zu beschreiben… es scheint dann einfach ganz von alleine zu laufen. Das gab es auch an anderen Abenden schon. Aber wenn es beim letzten Gig passiert, ist es für jeden etwas Besonderes. Vielleicht ein Zeichen?
Bisher hatte jede Tour ihren ganz eigenen Charakter. 2013 – für alle das erste Mal und natürlich geprägt von den schweren Unfall. 2014 – aufgrund vieler Konzertausfälle einerseits chaotisch andererseits relativ entspannt. Diese Tour war mit Abstand am anstrengendsten, denn wir spielen selten so viele Shows in so kurzen Abständen. Auch die Umstände waren alle andere als bequem. Wir hatten oft sieben oder acht Stunden Fahrt hinter uns, wenn wir an einem Ort angekommen waren. Die Zeit zwischen Soundcheck und Konzert ist meist lang, aber an Schlaf ist nicht zu denken. Unsere Konzerte begannen meist nach Mitternacht. Bis wir alles verpackt und eingeladen haben, ist es dann vier Uhr morgens. Und ein Caipirinha will auch noch getrunken werden. Nach 3, max. 4 Stunden Schlaf geht es zum nächsten Auftritt. Jetzt wird der ein oder andere denken „Ach diese armen, armen Musiker. Was für ein hartes Schicksal.“ Natürlich nicht! Im Gegenteil. rufen wir euch zu. Niemand beschwert sich. Nachher nicht und auch während der Tour nicht. Es ist für uns ein Privileg und ein großer Glücksfall – der hoffentlich 2016 nochmal eintritt. Musikalisch gesehen war es für uns die wahrscheinlich intensivste Tour. Wir waren das erste Mal in Originalbesetzung unterwegs. Und wir haben im Vergleich zu 2013 und 14 oft in kleinen Clubs auf engen Bühnen unter etwas unbequemeren Bedingungen gespielt. Das macht eine Band besser, denn gerade solche Erfahrungen bringen dich weiter und lassen dich „reifen“.
Brasilien hat uns auch beim dritten Besuch noch mit links überrascht. Wir sind das erste Mal absichtlich außerhalb des Carnevals gefahren und haben das Land im „Normalzustand“ (wenn es den gibt) erlebt. Eine neue Erfahrung, denn der Carneval überdeckt einfach alles. Alle sind aus dem Häuschen und reißen dich mit – und das während du ohnehin halb betäubt und völlig überwältigt vom Krach, dem Geruch und der Enge bist. Aber Brasilien kann mehr als mit der Hüfte zu wackeln. Andererseits ist der Unterschied zwischen Carneval und Nicht-Carneval nicht so groß wie in sagen-wir-mal Köln.
Mehr davon – unter anderem kleine Reise-Videos – gibt es auf facebook.com/yellowcap
Und das müssen wir unbedingt noch erwähnen: Liebes Goethe-Institut, es ist bitternötig, dass wir uns noch einmal und in aller Form für eure Unterstützung vor und während der Tour bedanken – gerade weil wir in diesem Jahr nicht die großen Konzert gespielt haben! Wir schätzen das sehr! Big up. See´ya next year.